Pfarramt: 06162 / 1864
"Da müsste die Kirche was tun!"
Haben Sie nicht auch schon mal gedacht: „Da müsste die Kirche was tun!“? Als ein Mitglied Ihrer Familie krank war, oder einfach nur oft allein? Als die Nachbarin durch die Scheidung in Not kam? Als jemand in Ihrem Haus neu einzog, und, und, und. So ging es auch der alten Dame, die ich nach der Beerdigung ihres Mannes besuchte. Ihre Tochter, die weit weg im Ruhrgebiet wohnte, war auch noch da. Im Gespräch sagte die alte Frau auf einmal: „Das muss ich Ihnen offen sagen: Bis auf Sie ist sonst noch keiner von der Kirche gekommen! Keiner, obwohl wir oft so allein waren. Dabei waren wir beide doch in der Gemeinde bekannt...“
Ich versuchte darauf einzugehen, nannte die große Zahl von alten, hilfsbedürftigen Menschen hier, erwähnte die rührigen Menschen aus dem Besuchsdienst unserer Gemeinde, von denen ich wusste, dass sie ab und zu nach dem Ehepaar geguckt hatten- umsonst. Die Frau blieb dabei. Da mischte sich die Tochter ein, und sagte: „Ja, das kann wohl sein, Mutti, dass du Recht hast. Aber es gibt eben zu viele alte Leute hier in der Gemeinde für die wenigen, die sich die Zeit nehmen, um sie mal zu besuchen. Und vor allem, wir wollen doch mal ehrlich sein: Als es dir und Vati noch gut ging und ihr noch rüstig wart, habt ihr da gesagt: „Wir haben Zeit. Können Sie uns nicht ein paar alte Leute nennen, die wir besuchen können?“ Was man selbst nicht investiert hat, das kann man von anderen nicht verlangen!" Die alte Frau schwieg betroffen; so hatte sie das bisher noch nicht gesehen.Mich hat dieses Gespräch noch lange beschäftigt. Die Tochter hatte ja Recht: Geht es mir gut, dann vergesse ich leicht die, die meine Hilfe brauchen. Ich verbrauche meine Zeit für mich selbst. Geht es mir aber schlecht, dann klage ich, dass keiner Zeit für mich hat.
„Man bekommt nur das heraus, was man investiert“ - das ist ja eher ein kaufmännischer Grundsatz, keiner aus dem christlichen Glauben. Immerhin, er hat der alten Dame eingeleuchtet. - Ihr konnte übrigens geholfen werden. Die Frau, die sie nun ab und zu besucht, tut das allerdings völlig uneigennützig und wegen ihres Glaubens und nicht, damit später mal ihr geholfen wird. So bekommt die alte Frau nun mehr, als sie je investiert hat.Ob es Ihnen später mal so gehen wird wie ihr? Ich kann es Ihnen nicht versprechen. Es kommt darauf an, ob es in unserer Gemeinde genug Menschen gibt, die etwas von ihrer Zeit an andere abgeben, sei es aufgrund des Gebots der Nächstenliebe oder aus anderen Motiven. Von solchen Menschen haben wir nicht genug, haben wir nie genug!Wie steht es mit Ihnen? Haben Sie nicht Lust und wollen ein bisschen Zeit investieren?Unser Besuchsdienst würde sich über Menschen sehr freuen, die das Team erweitern und unterstützen! Alle, die hier mitmachen, erzählen immer wieder, wie erfüllend ihr Engagement ist und wie viel Freude es macht und wie bereichernd es ist, Menschen zu besuchen und einen Moment ihres Lebens miteinander zu teilen. Ich bin auch Teil des Besuchsdienstes. Sprechen Sie mich einfach an oder ein anderes Mitglied der Gruppe!
Ihr Pfarrer Joachim Kühnle
Hier geht es zum AN(GE)DACHT Archiv